Kabbala und der Sinn des Lebens - Michael Laitmans persönlicher Blog

Was die Welt vom Mauerfall gelernt hat

Der Artikel wurde in „The Times of Israel“ am 20.11.2019 „Was die Welt vom Mauerfall gelernt hat?“ veröffentlicht. 

Wenn Mauern aus Stein fallen, bleibt trotzdem ein Stein im Herzen des Menschen, der Völker, zurück. Vor dreißig Jahren ist die Berliner Mauer gefallen, aber nichts hat sich seitdem verändert. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an den Moment, als ich im Fernsehen sah, wie die Menschenmassen die Grenzübergänge zwischen Ost- und Westdeutschland stürmten, und an die Freude, die die Menschen weltweit erfüllte. Für einen Moment dachten wir, dass sich die Vereinigung auf Russland und China im Fernen Osten ausweiten und sogar die ganze Welt erreichen könnte.

 Für einen Moment erstrahlte diese Illusion in unseren Köpfen.

Die Grenzen zwischen Ost und West sind aufgehoben, aber die Kluft ist nicht verschwunden. Als die Berliner Mauer gefallen ist, gab es etwa fünfzehn derartige Mauern in der Welt. Heute sind es 77. Zu sehen an den Grenzen zwischen: USA und Mexiko, Indien und Pakistan, Slowenien und Kroatien, Nord- und Südkorea, Österreich und Slowenien, Griechenland und Nord-Mazedonien, die Liste ist noch lange nicht zu Ende. 

Mauern schaffen Trennung zwischen den Menschen, Grenzen zwischen Ländern und Zäune reißen Nationen nieder. All dies sind typische Phänomene des 21. Jahrhunderts. Selbst wenn wir eine Mauer niederreißen oder eine Grenze entfernen, alles ist wieder wie in einem früheren Zustand. Sind die Mauern doch zurückgekehrt?

Warum ist eine wahre Vereinigung gescheitert?

Eine Mauer einzureißen oder eine neue Mauer zu bauen, bringt keine Lösung, denn die eigentliche Mauer sitzt in unseren Herzen.

Es ist wahr, dass es einen echten Wunsch gab, die Berliner Mauer einzureißen. Es gab eine Sehnsucht nach Freiheit und viele arbeiteten daran, sie voranzutreiben. Ostdeutschland wollte sich mit Westdeutschland vereinigen, aber trotz des starken Wunsches waren die Bürger auf die Wiedervereinigung  nicht vorbereitet, und die Mängel sind bis heute sichtbar.

Die Vereinigung sollte auf der Ebene des Bewusstseins in Herz und Verstand beginnen, um die Nähe zwischen den Nationen vorzubereiten. Eine gemeinsame Sprache reicht nicht aus. So gibt es bis heute Unterschiede zwischen einheimischen Deutschen und solchen Volksdeutschen, die in Russland oder in Kasachstan an der Wolga gelebt haben und später nach Deutschland zurückgekehrt sind.

Trotz der gemeinsamen Sprache ist es eine Tatsache, dass die russischen Deutschen einen anderen kulturellen Hintergrund haben, sie fühlten sich nicht richtig aufgenommen. Sie haben eine andere Weltanschauung, was sehr offensichtlich ist. 

Das Entscheidende ist, dass es nicht ausreicht, Mauern, die  aus Beton oder Stein errichtet wurden, einzureißen um Menschen zusammenzubringen. Man muss die Mauern in unseren Herzen einreißen. Man muss unser Bewusstsein für menschliche Beziehungen, so wie wir sie uns wünschen, stärken. Ziele und Nutzen vereinheitlichen, Kulturen und Bildungssysteme in einem vereinen. Einen Lebensstil entwickeln, der auf Rücksichtnahme beruht, und allgemein gültige  Werte und Prinzipien vereinbaren.

Man kann nicht erwarten, dass eine gebrochene Steinmauer eine wesentliche Veränderung hervorruft, nicht nach 30 Jahren und nicht einmal nach 50 Jahren. Im Gegenteil, es überträgt sich von einer Generation zur nächsten.

Selbst ein flüchtiger Blick auf Europa wird zeigen, dass es in eine tiefe Krise geraten ist. Es ist nicht der einheitliche Kontinent, der nach dem Fall der Berliner Mauer angestrebt wurde. Das heutige Europa ist am Boden zerstört, zerbrochen und von einer liberalen Demokratie bedeckt, in einer heruntergekommenen Verwestlichung.

Das Projekt der Europäischen Union, mit dem die Integration offener Grenzen und einer gemeinsamen Währung vorangetrieben werden soll, ist gescheitert. Eine Sammlung von Nationen hat sich zu einem sich auflösenden Kontinent zusammengeschlossen, der Schwärme von Einwanderern gegenübersteht, die allmählich den einzigartigen europäischen Charakter verändern.

Aufbau einer dauerhaften Verbindung zwischen Menschen

Um die Europäer zu vereinen, müssen sie zunächst ihre Herzen und Gedanken so vorbereiten, dass sie jeweils die richtige Form der Einheit verinnerlichen, einschließlich der Fragen:

  • Wie können Menschen entsprechend dem Gesetz der Natur eine Verbindung aufbauen? 
  • Was darf und was darf nicht gefährdet werden?
  • Was können positive und gesunde Verbindungen bewirken?

Ohne, dass wir uns diesen Fragen stellen, wird es für den Kontinent keinen Erfolg oder kein Heilmittel geben.

Die europäische Tendenz zum Altruismus ist die Mutter aller Lügen. Der entscheidende Schritt besteht nun darin, das Böse zu erkennen, dh. zu akzeptieren, dass die menschliche egoistische Natur mit uns spielt, die bitteren und engen Interessen der Menschen zu entlarven und zu akzeptieren, dass niemand die Macht hat, die Mauern zwischen den Menschen nieder zu reißen, wer auch immer es sein möge. Deshalb benötigen wir eine Kraft, die wir nicht besitzen – eine sogenannte „höhere Kraft“.

Über der menschlichen Natur, über dem Ego, das beständig auf Kosten anderer profitieren möchte, über allem, was wir gegenwärtig wahrnehmen und spüren, gibt es eine altruistische vereinigende Kraft. Es ist die Kraft der Natur. Wir können diese Kraft erwecken, indem wir uns bemühen, uns zu vereinen. Die Methode, wie wir uns über dem Ego vereinen können, ist alte Weisheit, wie sie die Kabbala lehrt.

Dies ist auch der Grund für die weit verbreitete Offenbarung der Kabbala in unserer Zeit. Das heißt, dass die Einheit der menschlichen Gesellschaft in Zeiten, in denen soziale Spaltung, Fremdenfeindlichkeit und Angst vor Kriegen und Konflikten immens zugenommen haben, zu einem dringenden Bedürfnis geworden ist.

Durch die Bemühungen, uns zu vereinen, bekommen wir neue Kräfte: Verständnis, Gefühl, gesunden Menschenverstand und Vernunft, die uns zur Einheit führen. Dann können wir jede Mauer überwinden und alle Grenzen werden beseitigt.

Bild von Sarah Lötscher auf Pixabay


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