Kabbala und der Sinn des Lebens - Michael Laitmans persönlicher Blog

Unsere Hände am Ventil

Wohin man auch immer auf die Welt schaut, wächst der Antisemitismus. In Argentinien verhinderte die Polizei einen brutalen Anschlag auf eine Synagoge, der für einen Samstag geplant war, an dem die Synagogen gewöhnlich voll sind. In Frankreich sprach der Kassationsgerichtshof den Mörder einer jüdischen Frau, Sarah Halimi, 2017 von seiner strafrechtlichen Verantwortung frei, weil er Cannabis genommen hatte, bevor er sie brutal schlug und aus dem Fenster im dritten Stock warf, wobei er auf Arabisch „Allahu akbar“ [Gott ist groß] schrie. Nach Angaben der Anti Defamation League gab es im Jahr 2020 mehr als 2.000 antisemitische Vorfälle in den USA. Ähnlich berichtete das deutsche Bundeskriminalamt, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten bundesweit bei 2.351 lag. Selbst die Nachricht über das Unglück auf dem Berg Meron, bei dem 45 orthodoxe Juden in einer Massenpanik starben, darunter etliche Kinder und Jugendliche, wurde in den sozialen Medien mit Häme beantwortet. Man las viele unverschämte Kommentare wie „Gott schicke Deinen Zorn auf die Juden“ und „Gott sei Dank, sie werden ihr Feuerfest in der Hölle fortsetzen.“

Antisemitismus war schon immer allgegenwärtig und hat schon immer zu Gewalt gegen Juden geführt, aber noch nie war er so allgegenwärtig zur selben Zeit. Auf persönlicher sowie sozialer Ebene sind einzelne Juden und jüdische Gemeinden auf der ganzen Welt mit einem Ansturm konfrontiert, der viele von ihnen nach alternativen Lebensorten suchen lässt. Es gibt aber nicht viele Optionen dafür. Auf internationaler Ebene drückt sich der institutionelle Antisemitismus, getarnt als Antizionismus, durch koordinierte Vorwürfe gegen Israel in der UN und anderen internationalen Organisationen aus.

Darüber hinaus lässt Amerikas Unterstützung für Israel nach. Ihr Fokus hat sich auf die Erneuerung des Abkommens mit dem Iran verlagert, dessen ausdrückliches Ziel es ist, den Staat Israel zu vernichten. Auch Europa, dessen Anti-Israel-Haltung seit langem eine Herausforderung für den jüdischen Staat ist, unterstützt schiitische, vom Iran unterstützte muslimische Organisationen, die die EU selbst bereits als terroristische Organisationen definiert hat.

Warum gibt die Welt den Juden und Israel die Schuld für ihr ganzes Elend? Warum beschuldigt man uns z.B., den Covid-19-Virus und davor den HIV-Virus geschaffen zu haben? Warum beschuldigt man uns, dass wir die Welt zerstören und die Kontrolle über sie während der Großen Rezession 2008 übernehmen wollten? Warum haben viele Menschen das Gefühl, dass Israel ein Verbündeter von Al Qaida ist? Kurz gesagt, warum haben die Menschen das Gefühl, dass, wie der Schauspieler Mel Gibson wetterte: „Die Juden sind für alle Kriege in der Welt verantwortlich“, oder wie der pensionierte General William Boykin schimpfte: „Die Juden sind das Problem; die Juden sind die Ursache für alle Probleme in der Welt“?

Interessanterweise scheinen unsere Weisen in gewisser Weise mit den Antisemiten in einem Punkt übereinzustimmen, dass die Probleme der Welt irgendwie auf uns zurückzuführen sind. Die Weisen des Talmuds schrieben: „Kein Unglück kommt über die Welt, außer für Israel“ (Yevamot, 63a). Rabbi Shimon schreibt auch im Buch Zohar, dass Israels falsche Handlungen „die Existenz von Armut, Ruin und Raub, Plünderung, Töten und Zerstörungen in der Welt herbeiführen“ (Tikkuney Zohar, Tikkun Nr. 30). Im frühen 20. Jahrhundert schrieb Rabbi Yehuda Leib Arie Altar, der ADMOR von Gur, in seinem Hauptwerk Sefat Emet: „Die Kinder Israels wurden für die Korrektur der ganzen Welt verpflichtet … Und darauf antworteten sie: ‚Das, was der Herr gesagt hat, werden wir tun‘ – die ganze Schöpfung korrigieren. …In Wahrheit“, so schließt er, „hängt alles von den Kindern Israels ab.“

Wenn wir der Frage nachgehen, warum unsere Weisen und die Welt uns die Verantwortung für unser Elend in den Schoß legen, werden wir feststellen, dass beide auf unsere innere Spaltung als Ursache verweisen. Während die Nationen uns vorwerfen, dass wir Spaltung unter ihnen säen, verweisen unsere Weisen auf unseren Hass gegeneinander, der uns daran hindert, die Liebe zu anderen in der Welt zu verbreiten.

Dementsprechend schreibt Rabbi Hillel Tzeitlin in seinem Werk Das Buch der Wenigen: „Wenn Israel der einzige wahre Erlöser der ganzen Welt ist, muss es für diese Erlösung geeignet sein. Israel muss zuerst seine eigene Seele erlösen, die Heiligkeit seiner Seele.“ Und wie, schlägt Tzeitlin vor, soll das erreicht werden? „Zu diesem Zweck möchte ich mit diesem Buch die ‚Einheit Israels‘ begründen … Wenn sie gegründet ist, wird die Vereinigung der Individuen dem Zweck dienen, … alle Übel der Nation und der Welt zu korrigieren.“

Ähnlich schrieb der große Kabbalist des 20. Jahrhunderts, Rabbi Yehuda Ashlag, in seinem Essay „Gegenseitige Garantie“: „Es ist an der israelischen Nation, sich selbst zu qualifizieren, und an allen Menschen der Welt … sich zu entwickeln, bis sie jenes erhabene Werk der Liebe zu anderen auf sich nehmen, das die Leiter zum Zweck der Schöpfung ist.“

Wenn man also die Welt betrachtet und sieht, wie sich die Feindschaft zwischen den Menschen und Nationen wie ein Buschfeuer ausbreitet und es kein Wasser gibt, um es zu löschen, dann erkennt man, dass wir unsere Hände am Ventil haben und wir diejenigen sind, die es geschlossen halten. Bewusst oder unbewusst fühlen die Menschen offensichtlich, dass die Juden für ihre Probleme verantwortlich sind. Jedoch verstehen sie nicht, in welcher Weise. Sie können nicht sehen, dass wir aufgrund unserer internen Spaltung und unseres gegenseitigen Hasses, der sie daran hindert, eine Einheit untereinander zu erreichen, für ihre Probleme verantwortlich sind. In der Tat ist es an uns, diese Lektion zu lernen, und sie auszuführen. Denn am Ende des Tages, wie der große Rav Kook in seinem Buch Orot betont, „liegt in Israel das Geheimnis der Einheit der Welt.“

Mehr zu diesem Thema finden Sie in den Büchern The Jewish Choice: Einheit oder Antisemitismus, Historische Fakten zum Antisemitismus als Spiegelbild jüdischer sozialer Zwietracht und Wie ein Bündel Schilf: Warum Einheit und gegenseitige Garantie heute das Gebot der Stunde sind.

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