Frage: Die Soziologen sagen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist – und die Notwendigkeit zu einer Gesellschaft oder Gemeinschaft zu gehören seine Basis ist. In letzter Zeit hat die Gemeinschaftsstruktur viele Veränderungen und Krisen durchgemacht, so dass wir uns heute nicht vorstellen können, was das Leben in der Gemeinschaft bedeutet und wie es sich sich anfühlt, und wie sie den Einzelnen beeinflusst. Wie sehen Sie das Leben in der Gemeinschaft in unserer Zeit?
Antwort: Seit Anbeginn der Menschheit wird der Mensch in Gemeinschaften geboren, in welchen er aufwuchs und lebte. Die Gemeinschaft ist seine Heimat, seine Familie, die ganze Welt. So war es in Afrika, Asien und Europa. Es war ein kleines Dorf, ein Stamm – eine Umgebung, die ihn ständig umhüllte, sich um ihn kümmerte, ihn aufgefangen hatte. Diesen Umgang erlebte er nicht nur von den Eltern. Er gehörte allen, alle gehörten ihm, und es gab nicht viele Unterschiede zwischen den Menschen. Doch unsere weitere Entwicklung basiert auf dem Wachstum des Egoismus. Er wuchs nach und nach, und wir distanzierten uns weiter und weiter voneinander.
Daher begann das natürliche Gemeinschaftsleben zu verfallen: die einen wurden reicher und die anderen ärmer, dem einen ging es besser, dem anderen schlechter, einer wurde stärker, der andere schwächer. In den letzten Jahren ist unser Egoismus exponentiell gewachsen, und jetzt erleben wir so einen Schwung, der vergleichbar mit der Explosion des Egoismus im alten Babylon ist. Bis jetzt hatten wir noch etwas gemeinsames Leben innerhalb eines Staates oder einer Stadt gehabt. Im Mittelalter wurden die Städte mit Mauern umrundet, damit man sich gegen äußere Feinde verbinden und schützen kann.
Jetzt ist es anders: Ich lebe in einer Wohnung und grenze mich so ab, dass ich von niemandem abhängig bin. Ich kenne meine Nachbarn nicht, und will es auch nicht. Am Morgen gehe ich mit meinem Kind aus der Wohnung, setze es ins Auto, bringe es in den Kindergarten oder zur Schule. Abends kommen alle wieder nach Hause, das Kind geht in sein und nicht in das gemeinsame Zimmer, schließt die Tür ab und kommt nicht einmal zum essen. So läuft das Leben in der Regel ab.
Die allgemeinen Gesetze der Natur drücken uns jedoch näher und näher zusammen, wir dagegen wollen diese Grenzen im Inneren mehr und mehr brechen. Diese beiden Richtungen in unserer Entwicklung bezeichnen wir als Krise. Dank der Globalisierung sind wir in der Lage, alle mit lebenswichtigen Dingen zu versorgen, aber weil keiner mit dem anderen innerlich verbunden sein will, ist es unmöglich, das Gute im Leben zu erreichen, so leiden wir nun.
Wir wissen, dass die Gemeinschaft in der Lage ist, die Lieferanten, die Firmen, die gemeinsamen Dienste, die wir brauchen, zu beeinflussen. Zum Beispiel in einer kleinen Stadt könnte man viel Gutes für die Bewohner tun. Wir würden unsere eigenen Preise für Unternehmen bestimmen, die uns Produkte, Strom, Gas und Wasser liefern. Der Preis hängt von uns ab, weil wir ein wichtiger Kunde sind. Daher können wir verlangen.
Wenn es uns gelingen würde eine Gemeinschaft mit modernen Rahmbedingungen zu schaffen, und wenn es viele dieser Art der Gemeinschaften gäbe, wären wir in der Lage, mit der egoistischen kapitalistischen Herangehensweise, die uns ausbeutet und mit offener Aggression und Zynismus alle ausnutzt, zu konkurrieren. Besonders in unserer modernen Zeit, wo es so viele Bedingungen gibt, hätten wir die Möglichkeit zu entscheiden, an wen wir uns wenden, um unser Leben so gut wie möglich zu gestalten.
Wir können sicherstellen, dass die Gemeinschaft selbst auf der Grundlage ihrer Eigeninitiativen ihr Leben selbst gestaltet. Das würde bedeuten, dass wir keine Dienstfirmen oder Polizei beauftragen, sondern uns selbst organisieren würden. Aber zuerst müssen wir uns viel näher kommen, um die Verbindung zwischen uns aufzubauen, die dem globalen Charakter entspricht. Und das ist nicht einfach.
Folge 237 aus „New Life“, 10.08.2013
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