Mit den Augen der Liebe sehen
Frage: Sie sagten, dass man infolge des Studiums im Sinne der integralen Methode beginnen wird, die negativen Eigenschaften der anderen Menschen als positive wahrzunehmen. Was soll das bedeuten?
Meine Antwort: Das bedeutet, dass, solange ich mich nicht über die Selbstsucht erhebe, ich nicht den anderen, sondern nur mich selbst betrachten können werde. Aber wenn ich mich erhebe, dann bewerte ich den anderen plötzlich genauso, wie er sich selbst bewertet. Das heißt, ich erkenne, dass er richtig handelt, richtig denkt. Ich begreife auch, dass ich nicht im Recht war und ihn nur vom eigenen, früheren, egoistischen Standpunkt aus betrachtet hatte.
Kommentar: Dann wird bei uns nicht nur das subjektive „Ich“ verschwinden, sondern auch die ganze Ethik.
Meine Antwort: Es gibt keine Ethik in unserer Selbstsucht, außer, wie man mehr bekommt und sich von allen isoliert. Ich spreche über unsere Natur.
Wenn wir den anderen ansehen, dann bemühen wir uns nur darin, seine Nachteile zu finden, ihn niedriger als sich selbst zu empfinden, sich selbst besser als ihn zu stellen. Das ist die natürliche Schutzreaktion unserer Selbstsucht. Gerade auf diese Weise sehen wir die ganze Welt.
Ich sehe das eigene Kind an und betrachte gleichzeitig das fremde Kind. Mein Kind ist in meinen Augen immer besser als das fremde.
Ich bringe mich ständig in eine vorteilhafte Position, anderenfalls macht es für mich keinen Sinn zu existieren. Die Schutzreaktion meiner Selbstsucht ist darauf gerichtet, mir die Unterstützung zu geben, dass ich für die Existenz berechtigt bin.
Und wenn ich über mich, über meine Selbstsucht hinaufsteige, dann sehe ich andere Menschen mit anderen Augen.
Auszug aus dem TV-Programm „die integrale Welt“, 27.11.2012
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