Ein bitterer und unvollkommener Weg
Baal HaSulam: „Die Essenz der Religion und Ihr Zweck“: Umso süßer eine Frucht am Ende ihres Reifens wird, desto bitterer und unscheinbarer ist sie in den ersten Phasen ihrer Entwicklung. So ist es auch mit den leblosen und sprechenden Phasen: Denn das Tier, dessen Verstand relativ klein ist, hat auch keinen starken Willen, während es heranwächst. Wiederum der Mensch, dessen Verstand am Ende groß ist, hat einen starken Willen während seiner Entwicklung. „Ein einjähriges Kalb wird Ochse genannt“; es bedeutet, dass es die Kraft aufbringt auf den eigenen Beinen zu stehen, zu gehen und die Intelligenz, Gefahren aus dem Weg zu gehen. Doch ein einjähriges Kind ist vollkommen hilflos.
Folglich haben wir die Vorsehung des Schöpfers in unserer Welt durchgehend sichtbar gemacht, welche sich als sinnvolles Leitsystem darstellt. Die Attribute der Güte sind überhaupt nicht sichtbar, bevor die Schöpfung an ihrer Endkorrektur anlangt, ihrer endgültigen Reife. Im Gegenteil, eher zeigt sie sich in den Augen des Betrachters in einer korrumpierten Form. So siehst du, dass der Schöpfer seinen Geschöpfen nur Gutes tut, aber diese Güte folgt einer sinnhaften Führung.
Zuerst muss uns klar sein, dass wir uns in einem evolutionären Prozess befinden. Dies nehmen wir in dieser Welt wahr. Auch wenn uns klar ist dass die Evolution uns in bessere Zustände führt, so ist der Prozess dennoch einer, der durch Probleme und Schwierigkeiten führt, die unsere Entwicklung erzwingen. Wir sehen dies auch in der unbelebten, pflanzlichen und belebten Natur.
Alles auf dem Weg erscheint uns in Form von verschiedenartigem Druck – Störungen, Enttäuschungen, Sorgen – so kommt die Evolution zum Ausdruck. Baal HaSulam gibt uns ein Beispiel von einer Frucht, die zu Anfang bitter ist und mit der Zeit ihrer Reifung immer süßer wird. Dasselbe geschieht mit dem Menschen, der ohne Kraft und Verstand geboren wird und dann zusehends über die belebte Stufe hinauswächst.
Dies zeigt, dass sich der Anfang unserer Entwicklung wesentlich von seinem Ende unterscheidet. Daher sagt Baal HaSulam auch, dass „Niemand weiser ist als der Erfahrene“. Und darunter fällt ein Kabbalist, der bereits sämtlich Entwicklungsphasen durchgemacht hat und letztendlich seine endgültige Form erreicht. Nur so ein Mensch kann uns darüber erzählen, was auf dem Weg passiert.
Nun verstehen wir die Antwort auf die Hauptfrage bezüglich unserer Entwicklung: Wie können wir sicher sein, dass der Schöpfer wirklich gut ist? Da Er allem vorausgeht und niemanden braucht. Wenn er in diesem Fall die Welt lenkt und leitet, wenn es Nichts außer Ihm gibt – wie kann es dann sein, dass wir leiden? Warum leiden alle Lebewesen, wo doch der Schöpfer nur Gutes gibt?
Die Antwort: Wir alle stehen unter einer Lenkung, die uns durch Leid dem Ziel näher bringt; denn andernfalls würden wir uns überhaupt nicht vorwärts bewegen. Am Ende werden wir den guten Zustand erreichen, der sich vorher nicht offenbart. Und all die Phasen auf dem Weg dorthin dienen dazu, uns zu verwirren und uns in die Irre zu führen, indem sie uns das Ende verhüllen. [119343]
Aus dem 3. Teil des täglichen Kabbalaunterrichts, 29/10/13.
Diesen Beitrag drucken