Der Tag nach dem Coronavirus – Kapitel 1 – Von der Gleichgültigkeit zur Panik
Von der Gleichgültigkeit zur Panik
Vom Coronavirus hörten wir zum ersten Mal in einer Randnotiz über einen Virusausbruch im weit entfernten China. Wir hatten keine Ahnung, wie dramatisch sich dies auf unser Leben auswirken würde, und so wandten wir uns anderen Nachrichten zu.
Zunächst waren Heimkehrende aus einigen asiatischen Ländern der Selbst- Quarantäne unterworfen. Später wurden Flüge in den Osten und in andere Teile der Welt gestrichen, und Menschen, die aus bestimmten Ländern zurückkehrten, mussten eine Heimquarantänezeit einhalten. Doch selbst damals ahnten wir noch nicht, welch weitreichende Folgen dies noch haben würde. Wir machten uns vor allem Sorgen darüber, ob und wie wir wichtige Handelsgüter weiter aus China beziehen könnten.
Wer hätte gedacht, dass sich eine Epidemie in einer abgelegenen chinesischen Provinz bald zu einer globalen Pandemie entwickeln würde? Viele von uns hatten bereits vom Schmetterlingseffekt gehört, bei dem eine kleine Störung in einem entlegenen Teil der Welt Auswirkungen auf andere Gebiete hat. Wir setzten uns jedoch mit diesem Begriff bisher nur metaphorisch und philosophisch auseinander.
In der ersten Phase der Pandemie, als wir uns des Potenzials der Katastrophe und der weltweiten Ausbreitung des Virus noch nicht bewusst waren, hielten einige die restriktiven Maßnahmen für übertrieben. Das Coronavirus schien nicht tödlicher zu sein als eine gewöhnliche Grippe. MIt scheinbar relativ niedrigen Sterblichkeitsraten war das Coronavirus vor allem für ältere Menschen und solchen mit Vorerkrankungen gefährlich. Es war folglich vielen unklar, warum die Bewegungsfreiheit der Allgemeinbevölkerung eingeschränkt werden sollte.
In der nächsten Phase kam es zu einer schnellen Ausbreitung mit einem plötzlichen Anstieg der Zahl der Infektionen und Todesfälle. Angst, Ungewissheit und Panik machten sich in vielen Ländern breit. Viele fühlten sich verloren, als die drohende Abriegelung in immer mehr Ländern zur Realität wurde.
Natürlich wurden unsere grundlegenden Überlebensinstinkte freigesetzt. Wir drängten in die Supermärkte, leerten die Regale und bunkerten Waren in unseren Vorratskammern. Das Toilettenpapier ging uns aus. Gleichzeitig füllten sich die sozialen Netzwerke mit Witzen, die mit versteckter Angst gemischt waren.
Alle wurden plötzlich misstrauisch. Hielten die anderen sich strikt an die Richtlinien des Gesundheitsministeriums oder nicht? Wo hatten sie sich aufgehalten? Womit waren sie in Kontakt gekommen? Waren sie sorgfältig auf ihre Hygiene bedacht? Ein Niesen oder Husten machten aus jedem von uns eine Gefahr für das öffentliche Wohlbefinden.
Staatsoberhäupter verbrachten Tag und Nacht in hitzigen Diskussionen. Die Ausbreitung des Virus musste eingedämmt werden, ohne einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verursachen. Die Kontroversen vom Vortag, soziale Gräben und sogar terroristische und nukleare Bedrohungen waren angesichts des neuen Problems von globalem Ausmaß verschwunden.
Grübelten wir vorher, welches neue Auto wir kaufen, wohin wir in unseren nächsten Urlaub fahren oder welche Schuhe wir in unsere Kollektion aufnehmen sollten, konfrontierte die weltweite Ausbreitung des Coronavirus viele von uns mit einer neuen Realität und der ernsten Frage, wie wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen konnten.
Würden wir nächste Woche etwas zu essen haben oder würden die Lieferungen eingestellt? Wenn wir noch nicht aus unseren Jobs entlassen wurden, wie lange würden wir sie behalten? Und was, wenn wir morgen unsere Lebensmittel, Miete, Hypothek oder Kredite und Schulden nicht mehr bezahlen konnten?
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