Kabbala und der Sinn des Lebens - Michael Laitmans persönlicher Blog

Coronavirus: zuvorkommen

Veröffentlicht in Laitman.com

Es ist, als ob wir Teil einer Hollywood-Geschichte geworden sind und die Dinge von innen heraus betrachten. Werden wir in der Lage sein, zum Kern des Geschehens vorzudringen und das Ergebnis vorwegzunehmen?

Jetzt ist klar: Das aktuelle Coronavirus ist zu einem jener seltenen unvorhersehbaren Ereignisse mit weitreichenden Folgen geworden, die der berühmte Nassim Taleb „Schwarze Schwäne“ nannte. Später, im Nachhinein, wird alles klar und gesetzmäßig sein, aber es geschieht bereits jetzt etwas.

Wir alle haben ein paar Wochen oder Monate Zeit, um darüber nachzudenken, und wir sollten diese Gelegenheit nicht verpassen. Schließlich gibt es in der Natur keine Zufälle, und da sich die richtigen Bedingungen entwickelt haben, müssen wir sie in der Praxis nutzen und nicht auf die „Entwarnung“ warten.

Vor uns liegen also, so scheint es, einige Monate einer sehr ungewöhnlichen Lebensweise. Und danach kehren wir nicht zu unseren alten Gewohnheiten zurück. Unser tägliches Leben wird anders sein. Wie anders? Es hängt davon ab, ob wir die Gretchenfragen beantworten wollen, die das Virus heute aufwirft.

„Wenn das alles vorbei ist, werden wir uns fragen, warum wir im Büro arbeiten sollen, zur Schule gehen, um zu studieren oder zu lehren sollen, im Laden einkaufen gehen müssen“, schreibt Politologin Dr. Einat Wilf.  Vielleicht wird dies der Moment sein, in dem wir die Strukturen der industriellen Revolution hinter uns lassen.“

Analysten, Wissenschaftler und Unternehmensleiter diskutieren bereits über ein neues digitales Paradigma, eine Veränderung des Produktions-Ansatzes und seiner Effizienz, Entscheidungsfindung und Sicherheit. Die Epidemie hat deutlich gezeigt, dass unser träges Denken nicht mit den modernen Technologien Schritt halten kann.

Aber es ist auch nur ein Teil des Bildes. Schließlich geht es nicht nur und nicht so sehr um Technologie. Es geht um das eigentliche Konzept des Erfolgs. Wenn wir den Moment nicht verpassen, wird die Menschheit viele unnötige Dinge wegwerfen und leichter, praktischer und innerlich heilen – voller und vielfältiger. Nicht nur die Lebensweise wird sich ändern, sondern auch die Art und Weise des Denkens und Fühlens.

Das Einzige, was wir jetzt wollen, ist, dass alles zu Ende geht. Aber reißen wir uns zusammen und stellen wir uns den Tatsachen: Was sagt uns die aktuelle Situation? Welche Krankheiten der Welt durch das Coronavirus entdeckt werden?

Das Gesundheitsministerium wird uns darüber nicht berichten. Mit ihren Richtlinien trennt sie uns nur von dem Leben, das uns die Gesellschaft mit ihren Werten, ihrer Freizeit und Unterhaltung aufzwingt. Plötzlich ist die gegenseitige Verantwortung kein leerer Ton mehr, die Prioritäten ändern sich dramatisch, die Unterhaltung findet im virtuellen Raum statt.…

Es ist ein Vorspiel, eher düster, aber dennoch nicht tragisch. Wir versuchen, uns zu akklimatisieren, neue Rahmen zu bauen, sogar, um anderen, fremden Menschen zu helfen, was gestern für viele Menschen etwas unvorstellbares war. Einerseits sind wir in dem, was wir gewohnt sind, eingeschränkt, andererseits eröffnen wir neue Dinge in dem, was wir nicht gewohnt sind. Wie ein heranwachsendes Kind, das von seinen Erziehern geführt wird, nicht wahr?

Wenn wir die Wege der Erkrankten durchschauen, sehen wir Cafés, Restaurants, Geschäfte, Einkaufszentren, Supermärkte, Bankettsäle … Tatsächlich ist dies fast unser ganzes Leben – eine gepunktete Linie von einem Ort zum anderen. Wir gehen über die Grenzen und es gibt dasselbe, eine endlose Reihe. Aber nein, natürlich ist sie endlich.

Und jetzt, von außen betrachtet, werden wir ein wenig älter, ein wenig reifer. Unbemerkt, unterschwellig und leise entsteht in uns ein neues Gefühl, eine neue Einstellung zur Freizeit, zur Unterhaltung, zu eigenem Leben, zu den anderen. Das Alte ist ein wenig verblasst, und es ist, als ob Vorhänge von unseren Augen fallen und neue Farben offenbart werden.

Ja, ich laufe voraus, aber nur für eine Woche, glauben Sie mir. Was heute wie ein Gefängnis aussieht, ist in Wirklichkeit eine Gelegenheit für uns, uns selbst und die Welt ernster zu nehmen, Fragen zu stellen, die durch das frühere Paradigma fleißig verdeckt wurden.

Tatsächlich ist dies eine beispiellose Gelegenheit. Der Virus führt zu einer Reinigung, zu einer „Desinfektion“ des Geistes und des Gefühls, hebt auf eine neue Ebene des Denkens, des Verstehens, des Verlangens, der Verbindung. Ohne es zu wissen, kommen wir mit dem Bedürfnis in Berührung, es zu verstehen, das uns zuvor vorenthalten wurde.

Lasst uns zwei Wochen voraus schauen: Das Virus ist nicht nur eine Bedrohung, sondern auch ein Durchbruch. Es schleift nicht nur den Körper aus, sondern auch überholte Konzepte und Dogmen und öffnet die Tür zu einem neuen Zustand der Menschheit.

Unser erster Impuls ist es, diese Tür zu schließen, den Luftzug zu beseitigen, die Störungen auf dem gewohnten Weg zu beseitigen. Aber warten Sie, verschließen Sie nicht die Türen des Bewusstseins! In der Natur, in diesem einzigen, integralen System, gibt es nichts Dummes, nichts Falsches. Alle ihre Resonanzen sind wahr und nützlich, auch wenn sie in gewisser Weise zerstörend sind.

Man kann das Virus nicht einfach bekämpfen, indem man das System, in dem wir leben, aus dem Weg räumt. Sie wird nicht für immer verschwinden, und sie wird weiterhin ihr Gleichgewicht verteidigen.

Von wem verteidigen? Von uns. Wir sind diejenigen, die das gesamte Gleichgewicht zerstören, „das Boot schaukeln“, wir verhalten uns konsummäßig gegenüber der Welt und zueinander, um dummer Prahlerei willen, aus dem Wunsch heraus, uns besser zu präsentieren, über anderen zu stehen. Unser ganzes Leben ist dieser Aufgabe unterworfen, versteckt hinter äußerlich soliden, aber flachen Dekorationen.

Als Folge davon zerstören wir auf ökologischer Ebene absichtlich die Erde. Man kann sich über Greta Tunberg lustig machen, so viel man will, aber was das betrifft, hat sie Recht. Und die Hauptsache ist, dass wir die Sozialökologie verderben, dass wir an der Aufgabe scheitern, die uns systematisch anvertraut wurde.

Unsere Beziehung, unser ganzer „Fortschritt“ ist eine Herausforderung an die Integrität, eine Herausforderung an die Natur selbst. Wir bringen Ungleichgewicht, Disharmonie in alles, mit dem wir in Berührung kommen. Wir versuchen, das System zu erobern, das uns geboren hat. Wir fordern den Gehorsam der Natur für unsere kindlichen, infantilen Spiele.

Und natürlich ist die Natur dagegen. Es ist kein Zufall, dass das Virus uns zwingt, ein gesünderes Leben und verantwortungsvollere Beziehungen aufzubauen, auf unnötige Produktion zu verzichten und füreinander zu sorgen.

Es ist möglich, dass wir, wenn ein Impfstoff entwickelt wird oder die meisten Menschen wieder gesund, erwachsener aus der Isolation herauskommen und anders, besser leben werden. Vielleicht werden wir dieser Epidemie, die bisher wie ein „schwarzer Schwan“ erscheint, noch dankbar sein. Dahinter gibt es eine logische Erklärung für alle „schwarzen Schwäne“. Und welche Erklärung werden wir geben? Und was hindert uns daran, es jetzt zu tun?

Jahrzehntelang haben wir uns in Konsum-Täuschungen verirrt und das Leben künftiger Generationen zerstört. Wir haben uns in die Schrauben einer globalen Maschine der Überproduktion und des Elends verwandelt. Eine Maschine, die Müll produziert, menschliche und natürliche Ressourcen um des Egoismus willen verbrennt.

Warum also darauf zurückkommen? Lassen Sie uns zwei-, dreimal weniger Güter konsumieren, aber wir, unsere Kinder und Enkelkinder werden ein gesundes, ruhiges Leben voller anderer Freuden haben – viel kreativer, unauslöschlich, universeller. Ein häufiges Unglück kann ein Sprungbrett zum gemeinsamen Erfolg sein. Das Virus ist also in der Tat eine Chance, gerettet zu werden.

Gehen wir einen Schritt zurück: Ein Virus ist das Ergebnis eines Ungleichgewichts, das wir, die Menschheit, im gemeinsamen System verursachen. Der Mensch ist darin das Hauptteil. Alle seine Impulse sind gebunden, an uns kommutiert. In diesem System lernen wir, füreinander und für sie verantwortlich zu sein.

Vergessen wir also nicht, indem wir den vorgeschriebenen Abstand einhalten, in Quarantäne sitzen, uns um die Familie  kümmern und anderen  helfen, soweit wir können. Es zu ignorieren, ist wie den Kopf in den Sand zu stecken, zurückzublicken, auf das Gestern, obwohl der Morgen uns jetzt schon bevorsteht. Der Mensch ist anders als die Tiere, weil er Fantasie hat, er kann voraussehen, vorhersehen, vorwärts laufen. Unser „schwarzer Schwan“ ist viel mehr, als er scheint.

Bild von Free-Photos auf Pixabay


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