Vom Jenseits zur Realität
Eine Frage, die ich erhielt: Hindert das ernsthafte Studium der Kabbala einen Menschen daran, religiös zu bleiben?
Meine Antwort: Wenn der Mensch religiös war, hindert Kabbala ihn nicht daran, seine Gewohnheiten als traditionelle Bräuche, als einen Teil der Kultur seines Volkes beizubehalten.
Er kann jedoch nicht mehr blind an das Jenseits und an die Belohnung/das Paradies oder die Bestrafung/die Hölle darin zu glauben, denn er beabsichtigt, den Schöpfer bereits in diesem Leben zu enthüllen. Das Eine widerspricht dem Anderen.
Er hört allmählich auf, auf eine Belohnung, die ihn irgendwo dort nach dem Tod, in einer anderen Welt erwartet, zu hoffen – wenn auch mit Mühe, verschwindet dieses Bild dennoch allmählich, und alle seine Erwartungen verlagern sich in die Gegenwart – die Enthüllung hier und jetzt! Die ganze Aufmerksamkeit verlagert sich von Jenseits ins Diesseits, in dieses Leben.
Auf diese Weise verändert sich seine Haltung der „zukünftigen Welt“ und dem Schöpfer als einer Realität gegenüber, der er sich nähert und die er vorhat, hier, in diesem Leben, zu enthüllen. Darin besteht sein Ziel, der Sinn seines Lebens, dafür lebt und befolgt er die Ratschläge von Kabbalisten.
Aus diesem Grund ist es für den Menschen schwer, in seiner früheren religiösen Umgebung zu bleiben, denn er spürt, dass er ihr im Geiste nicht mehr entspricht.
Diese Menschen glauben immer noch an die Belohnung nach dem Tod und bestimmen dadurch alle ihre Handlungen. Und sogar die Belohnung in dieser Welt stellen sie sich anders vor. Deshalb spürt er einen Unterschied zu ihnen, und Unterschiede entfremden.
Das führt jedoch nicht zu einer Verachtung der Religion gegenüber, weil diese Form letztendlich die gesamte Menschheit zur Kabbala bringen soll – zur wahren Erkenntnis des Schöpfers und des Lichts.
Wir, die Kabbalisten, haben Achtung vor jeder Glaubensrichtung. Die Religion wurde von Abraham gegründet und bleibt solange bestehen, wie sie von den Menschen gebraucht wird, bis sie reif für die Erkenntnis des Schöpfers sind.
In dem Ausmaß ihres Heranreifens werden sie von der Religion zur klaren Enthüllung übergehen und allmählich ihr Ziel verändern – uns ist jedoch verboten, diesen Entwicklungsprozess anzutreiben. Wir zeigen nur, was für Möglichkeiten der Mensch hat.
Und natürlich kommen zuerst die nichtreligiösen Menschen zu Kabbala, denn sie spüren eine größere Unzufriedenheit als religiöse Menschen.
Der Mensch von Welt dachte, dass er über sein Leben verfügt, und stellt plötzlich fest, dass er absolut unfrei ist – das demütigt ihn und zwingt ihn, abzuschalten oder sich an die Kabbala zu wenden.
Ein religiöser Mensch denkt aber noch, dass er den Schöpfer hat, der sich immerhin um ihn kümmert, und wird deshalb, wenn er kann, die Augen auf alles verschließen und zu einem noch größeren Fanatiker werden, um sich vor den Zweifeln und der Leere zu schützen.
Und er wird Kabbala, die ihm die Augen dafür öffnet, dass es nur ein Ziel gibt – die Enthüllung des Schöpfers –, noch mehr hassen. Und dennoch ist er besser vor Erschütterungen geschützt – bis diese Unzufriedenheit zu ihm vonseiten der Natur, des Schöpfers kommt und anfängt, aus dem Inneren zu sprechen. Dann wird er sich der Kabbala beugen müssen.
Aus dem Unterricht nach dem Artikel „Körper und Seele“ vom 30.11.2010