Kabbala und der Sinn des Lebens - Michael Laitmans persönlicher Blog

„Jüdisches Post-Trauma: Ursache, Diagnose und Heilung“

„The Times of Israel „veröffentlichte meinen neuen Artikel „ Jüdisches Post-Trauma: Die Ursache, Diagnose und Heilung “ am 09.10.2019

Das Post-Trauma durch wiederkehrende antisemitische Ereignisse, wie den Holocaust und die Pogrome, hat ganze Generationen von Juden nachhaltig geprägt. In Israel gehören Angstzustände und traumatische Ereignisse zur täglichen Realität von Kindern, Jugendlichen und der Bevölkerung im Allgemeinen. Der durchschnittliche Israeli hat entweder selbst die Erfahrung eines Terroranschlags gemacht oder aber kennt jemanden, der das Opfer von Terror  geworden, oder durch Kriegserlebnisse traumatisiert ist. Drogen mögen Symptome dieses Phänomens betäuben, aber die wahre Heilung kann nur durch unsere einzigartige Fähigkeit erlangt werden, ein Sicherheitsnetz aufzubauen, indem wir uns als jüdische Nation verbinden.

Israel besitzt zwar die stärkste Armee der Welt, aber diese bietet weder einen Schutz vor dem Trauma, einen Freund im Kampf zu verlieren, noch gegen die ständige graue Wolke der Bedrohung durch Feinde im Inneren, wie auch solche von außerhalb. Viele Kämpfer, in den verschiedensten Positionen sind Opfer von Angstzuständen unterschiedlicher Intensität. Seien es Erwachsene oder Senioren, die in der Vergangenheit an israelischen Kämpfen teilgenommen haben, oder auch junge Männer, die den Militärdienst eben erst absolviert haben.

Dieses Phänomen ist jedoch viel umfassender als dass es nur die israelische Armee betrifft. Es schließt uns alle ein. Wir sind eine Nation, die tagtäglich in einem Trauma lebt. Der Grund dafür ist nicht nur die ständige Bedrohung, welcher der Staat Israel seit seiner Gründung ausgesetzt ist, oder etwa die unterschwellige Angst vor sporadischer Gewalt und Terror. Wir werden permanent traumatisiert, und zwar dafür, dass wir Juden sind.

Das Trauma, das uns fesselt – das Trauma der bedrohlichen Zukunft, der feindseligen Gegenwart oder der quälenden Vergangenheit – durchdringt die gesamte Nation auf allen Ebenen. Kinder gehen in den Kindergarten in Gebieten, die von Raketen angegriffen werden, atmen versteckte Panik in der Atmosphäre, werfen schnell alles weg und laufen in Schutzräume, wenn Warnsirenen in der Nähe ertönen. Auch  zittern sie, wenn ihr Telefon ein Alarm anzeigt, weil wieder eine Rakete in einen entfernteren Teil des Landes eingedrungen ist. Das Trauma ist bereits in uns, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

Wir neigen dazu, stolz auf unsere israelische Robustheit zu sein, die äußerliche Widerstandskraft. Aber diejenigen, die sich sicher fühlen, bedürfen nicht eines solchen Schutzpanzers. Sie können es sich leisten, auch äußerlich sensibel zu sein. Ein weiteres Symptom des jüdischen Traumas: die Notwendigkeit zu verteidigen, zu befestigen und hart zu spielen, um nicht verletzt zu werden.

Warum passiert uns das alles? Wer sind wir Juden? Wo kommen wir her und wohin gehen wir? Wofür das Alles? Was sind Zweck und Ziel dieser Welt? Und was ist unsere Rolle gegenüber dieser Welt?

Wir müssen diese Fragen eindeutig beantworten und die uns eigene, bedeutsame Rolle der gesamten Menschheit gegenüber verwirklichen. Auch wenn sie  wie eine schwere Last auf unseren Schultern zu liegen scheint. Im Gegenteil, die Umsetzung unserer Aufgabe wird dazu führen, dass unsere derzeit schwierige Realität leichter und angenehmer wird.

Der Prophet Jona, dessen Geschichte wir am Jom Kippur lesen, litt ebenfalls unter einem Trauma. Seine Geschichte, die unsere Erfahrungen beschreibt, begann mit der Mission, die er von Gott erhielt. Er soll das Volk von Ninive deren Bewohner nicht jüdisch waren, retten. Sie müssen sich vom frevelhaften Verhalten abwenden und beginnen sich in gegenseitiger Zuneigung den Erfordernissen, der Realität zu stellen.

Jona versuchte, vor seinem Schicksal zu fliehen. Er bestieg ein Schiff, das weit aufs Meer segelte,  woraufhin seine Flucht einen Sturm auslöste. Die Matrosen an Bord erkannten, dass die Ursache des Sturms, der große Not anrichtete, der „Jude“ auf ihrem Schiff war. So warfen sie ihn hinaus ins Meer. Ein Wal verschlang Jona. Im Bauch des Wals unterzog sich Jona einer schweren Selbstprüfung, bevor er sich bereit erklärte, die ihm zugewiesene Rolle zu übernehmen. Danach brachte ihn der Wal in Sicherheit, in die Stadt Ninive.

Die Geschichte von Jona ist die Geschichte des Volkes Israel.

Wir haben eine Aufgabe, die uns immer begleitet hat. Die Einheit unter uns zu verwirklichen und der Welt als Beispiel zu dienen. Wir versuchen jedoch, diese Aufgabe zu umgehen. Jedes Mal, wenn die Welt unter einer bestimmten Krise leidet, ob klein oder groß, gibt man uns Juden die Schuld an den Schwierigkeiten. Außerdem verwandelt sich jede Anschuldigung, der wir ausgesetzt sind, in ein neuerliches Trauma, das sich zusammen mit all den anderen bereits durchlebten Traumata in unserer jüdischen Erfahrung anstaut, egal ob bewusst oder unbewusst.

Unser Schicksal ist unausweichlich. Es ist das Ergebnis bestehender unbeugsamer Naturgesetze, wie sie in den Kabbala-Büchern niedergeschrieben sind. Wir müssen sie kennen lernen, um zu verstehen, was wir zu tun haben. Andernfalls  werden wir weiterhin unter den Schlägen leiden, welche die Völkern der Welt an uns austeilen..

Es entspricht den Tatsachen, das gesamte jüdische Volk als traumatisiert zu betrachten. Wir sollten dieses Thema nicht verwässern, sondern daran arbeiten das Verständnis dafür zu wecken, dass die Heilung dieses Traumas davon abhängt wie sehr es uns gelingt ein besseres, ganzheitliches Verständnis  füreinander und die Realität als Ganzes zu entwickeln.

Jom Kippur ist eine Zeit der Innenschau, sowohl des Einzelnen als auch des jüdischen Volkes als Ganzes. Wir können die Zeit zur Selbstreflektion an Jom Kippur dazu nutzen unser Schicksal positiv zu beeinflussen. Wenn wir uns damit einverstanden erklären, unsere Aufgabe zu übernehmen, uns verbinden und auf diese Weise „ein Licht für die Völker“ werden.

Indem wir das Bewusstsein dafür schärfen und daran arbeiten, uns zu verbinden, werden wir die Forderungen der Menschheit an uns erfüllen und ein positives Licht in die Welt ausstrahlen, wie es geschrieben steht: „Denn sie sind Leben für diejenigen, die sie finden, und Gesundheit für ihr ganzes Fleisch“ (Sprüche 4,22). 

Bild von stinne24 auf Pixabay


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