Makkabäer gegen Griechen, Runde II
Chanukka eignet sich hervorragend, um über Hedonismus zu sprechen: Gemeint ist die Jagd nach dem schnellen Vergnügen – ein gesellschaftlicher Wert, den die Griechen (Hellenisten) so emsig verfolgten. Ich würde gerne einen Denkanstoß dazu vorbringen, der manchen Lesern neu erscheinen mag, der aber eigentlich die Basis des jüdischen Gedankengutes ist.
Es ist ja im Prinzip nichts Schlimmes an der Absicht, Freude zu empfinden. Tatsächlich liegt es in unserer Natur, Freude zu empfangen. Die Griechen wussten sehr gut, wie man Unglaubliches aus dem Menschen herausholen konnte. Sie waren Meister darin, sich in Kultur, Sport, Wissenschaft und Architektur zu üben – alles zu unserem Vergnügen.
Ihnen gegenüber standen die Makkabäer. Sie verfolgten einen anderen Ansatz – sie behaupteten nämlich, dass die Natur des Menschen bis zu ihrem Kern hinein verdorben ist, wie geschrieben steht: „Die Neigung im Herz des Menschen ist übel von Anfang an“, und „Die Sünde lauert vor der Tür (der Gebärmutter)“.
Die Makkabäer (oder auch Juden, die sich nicht dem Hellenismus verschrieben haben) hatten an sich keinerlei Einwände gegen Kultur, Wissenschaft oder Technologie als solche. Sie hatten vielmehr etwas gegen den eigennützigen Gebrauch unserer Fähigkeiten und Talente, die eher in der Glorifizierung des eigenen Selbst ihren Höhepunkt findet als in der des gemeinsamen Wohles. Das ist auch der Grund, warum sich die Griechen für Siegertypen begeistern konnten und den Wettbewerb liebten.
Die Juden andererseits übten sich in „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, was ihrem Ideal entsprach. Natürlich gelang die Umsetzung dieses Ideals nicht so umfassend, aber immerhin war es das Ziel, das sie anstrebten.
Nicht, dass die Makkabäer Asketen waren. Auch sie sehnten sich nach dem ultimativen Glückszustand. Doch im Unterschied zu den Griechen wussten sie, dass das tatsächliche Glück in gegenseitiger Kameradschaft und sozialem Zusammenhalt liegt. Wenn man sich als Teil eines größeren Ganzen sieht, erweitert man seine Wahrnehmung proportional zur Größe der Gesellschaft. Das Selbst kann nur ein gewisses Maß an Freude empfinden. Aber ein Selbst, das sich als Teil eines größeren Ganzen wahrnimmt, erlebt Freude sowohl an den eigenen Fähigkeiten, die zugunsten der Gesellschaft genutzt werden als auch an den Beiträgen der anderen Mitglieder der Gesellschaft.
Und wie die Zellen in einem Körper sich selbst erhalten, aber auch zugunsten des ganzen Körpers arbeiten (als würden sie den ganzen Körper wahrnehmen – und vielleicht tun sie das auch), wollten die Makkabäer diese erweiterte Wahrnehmung allen zukommen lassen. Natürlich stand der eigennützige, hedonistische Ansatz dem entgegen. Also konnten diese beiden Anschauungen nicht nebeneinander existieren.
Wenn man sich die heutige Gesellschaft ansieht, scheinen die Griechen klar gewonnen zu haben. Überall hat die Genusssucht Oberhand gewonnen. Der Wettbewerb boomt und die Menschen scheinen mit einer Welt ohne Wettbewerb gar nichts mehr anfangen zu können. Doch möglicherweise gleicht der Sieg der Griechen einem Pyrrhus Sieg: In den meisten Wettbewerbsorientierten Gesellschaften sind Depressionen, alle denkbaren Extremismen und unglaubliche Dekadenz mittlerweile auf dem Vormarsch. Der Wettbewerb führte weitreichend zu Isolation, Entfremdung, Einsamkeit, Melancholie oder radikalen Ansichten.
Wir sollten nun zu den Idealen der Makkabäer zurückkehren: Zur Kameradschaft, und noch wichtiger: Zu sozialem Zusammenhalt. Einfacher ausgedrückt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Wieder blicken alle Augen auf die Juden. Und wieder wendet sich die in der Zwischenzeit dem Hedonismus frönende, vor allem Westliche Welt, gegen uns. Antisemiten spüren, dass irgendetwas an uns Juden „schädlich“ ist, doch sie können es nicht auf den Punkt bringen. Also schieben sie die Schuld auf die Existenz des Staates Israels oder gleich auf die Existenz der Juden. Doch unbewusst spüren sie nur, dass wir unseren Job nicht richtig machen.
Und sie haben Recht. Wir schieben unsere Verantwortung – ein „Licht für die Völker“ zu sein, vor uns her. Dieses Licht ist das Licht der Einheit; es ist die einzige Medizin für die aktuellen, facettenreichen globalen Krisen.
Eine Krise in der menschlichen Natur äußert sich in allem. Da die menschliche Natur buchstäblich alles in unserem Leben beeinflusst, versinkt mittlerweile nahezu jeder Bereich, in welchem der Mensch „mitmischt“, im Chaos oder ist auf dem besten Weg dorthin. Es ist längst Zeit, auf die Bremse zu treten! Versuchen wir doch einmal etwas ganz anderes! Versuchen wir doch einmal Liebe und Zusammenarbeit! Und Gemeinschaft!
Wir müssen nicht verbergen, wer wir sind und was wir auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik oder Kultur erreicht haben. Wir müssen all dieses Wissen nur anders anwenden. Wir müssen eine Umgebung des Gebens erschaffen. Selbst der Reichste auf der Welt kann sich in der heutigen Welt nicht sicher fühlen. Doch in einer Gesellschaft der gegenseitigen Fürsorge kann sich sogar der Ärmste oder Schwächste sicher und glücklich fühlen.
Nur wir Juden haben den Schlüssel für eine solche Verbindung, denn nur wir haben sie jemals erfahren. Damals in den Zeiten der Makkabäer und vor der Zerstörung des Tempels lebten wir nach dem Prinzip der Nächstenliebe! Wir waren eine Gesellschaft der gegenseitigen Fürsorge, die sich einst am Fuß des Berges Sinai gegründet hatte und die sich nach jeder Fehde erneuern konnte. Nun ist es Zeit, diese Verbindung wiederzubeleben und sie mit der Welt zu teilen. Die Welt braucht genau das! Die Welt wird diese Verbindung von niemandem anderen bekommen als von uns! Wir müssen endlich erwachen und sie weitergeben. Denn das ist es, was mit „ein Licht für die Völker“ zu sein, gemeint ist. Und es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt dafür als das Fest des Lichtes – Chanukka.
Ein frohes Fest des Lichtes an Sie alle!
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