Ob in mir der Mensch wächst?
Frage: Was wird unter dem Geben an den Nächsten verstanden, und warum gibt es keine direkte und unverzügliche Strafe bei Nichterfüllung des Gesetzes des Gebens an die Gesellschaft?
Meine Antwort: Das Geben an den Nächsten bedeutet, ihm zu helfen, sich dem Ziel anzunähern. Anderenfalls handelt es sich nicht Geben – ausgenommen der Hilfe bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Mitteln. Jeder braucht Existenzmittel – denn das unbelebte, pflanzliche und tierische Niveau muß von etwas leben. Aber im Großen und Ganzen muss man dem Nächsten nur bei der Entwicklung zum Stadium des Menschen helfen.
Was die unverzügliche Strafe für die Nichterfüllung des Gesetzes des Gebens betrifft, so ist sie unmöglich. Denn die unverzügliche Strafe hätte dich dann ebenso, wie die unbelebte, pflanzliche und tierische Natur getroffen: du hast etwas falsch gemacht – hier kommt sofort deine Strafe, hast du alles richtig gemacht – bekommst die Belohnung. Dann hätte man dich einfach „programmiert“, ebenso, wie das Tier.
Aber welchen Nutzen hast du, wenn in dir der Mensch nicht wächst? Der Mensch in dir kann nur bewusst, infolge des Verständnisses und der Selbstentwicklung, der Aneignung von neuen Eigenschaften und neuen Werte wachsen. Dieser neue Mensch in dir strebt nach oben hinauf, will sich über dem lebensnotwendigen Existenzniveau erheben, um dort nach den Lösungen zu suchen.
Der Mensch entwickelt in sich etwas, was dem Schöpfer gleicht. Mein Körper, meine ganze Welt gehört zum unbelebten, pflanzlichen und tierischen Niveaus. Aber jetzt steige ich höher hinauf und baue den menschlichen Teil auf, der dem Schöpfer gleich ist. In unserer Welt gibt es nichts Vergleichbares und gerade das wird zu meinem wahren “Ich”, während ich alles anderen nur im Rahmen der lebensnotwendigen Existenz unterstütze.
Deshalb funktioniert das Prinzip „geben und nehmen“ nicht, passt das System der Gebote und der Verbote nicht. Denn ich muss etwas oberhalb von meinem jetzigen Ich bilden.
Frage: Wer führt eigentlich die Naturgesetze nicht aus: die Schöpfung oder der Schöpfer, der es ihr erlaubt?
Meine Antwort: Natürlich, der Schöpfer. Er lässt das deswegen zu, damit wir den Vorteil des Lichtes über die Finsternis lernen.
Aber die Frage besteht hier in meiner Bestrebung, in meiner Tendenz. Ja, ich werde aufsteigen und wieder fallen, aber will ich das wirklich? Neige ich dazu? Schätze ich diesen Weg und diese Bestrebung? Von mir wird die Anstrengung gefordert: „Willst du, dass etwas geschieht, oder nicht? Entwickle in dir die Neigung, das Bedürfnis dazu“. Aber wie? Ich stelle doch „den Berg“ des egoistischen Verlangens dar. „Du hast eine Umgebung, die Gruppe, den Lehrer, die Bücher, das Licht, das zur Quelle zurückführt, – alles Notwendiges. Die Arbeit wird aber von dir erwartet“.
Auszug aus dem Unterricht nach dem Artikel „Die Welt“, 08.02.2013
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