Wenn die Freiheit schlimmer als Gefangenschaft ist
Aus dem ersten Gespräch über die integrale Erziehung (Dr. Michael Laitman and Psychologe Anatoly Ulianov)
Frage: Ich kenne einige Menschen, die genau so leben, wie Sie vorher beschrieben haben. Es sind Menschen mittleren Alters, die sich so einen Kokon erschaffen haben. Wollen Sie sagen, dass auch sie in ihren vier Wänden wegen innerer Unruhe nicht mehr sorglos leben können?
Meine Antwort: Es gibt sowohl eine innere, als auch die äußere Unruhe. Die Welt befreit sich von aller überflüssigen Produktion, und mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen werden bald nicht mehr gebraucht. Sie werden sich in einem Zustand der absoluten Leere wiederfinden, weil sie an die jetzige Sklaverei gewöhnt sind.
So existiert praktisch die gesamte Erdbevölkerung. Man verlässt um 6 Uhr morgens das Haus, nimmt sein Kind mit (wenn man die Kinder hat), bringt es in den Kindergarten, fährt zur Arbeit, kehrt abends nach Hause zurück, muss unterwegs noch einkaufen und das Kind wieder abholen. Abends haben Eheleute dann etwa eine halbe Stunde Zeit, um das Kind zu versorgen, es ins Bett zu bringen, ein Fertiggericht zu essen – so vergehen die Tage.
Bald bekommen die Menschen viele freie Zeit, aber sie werden sich verloren fühlen, weil sie aus ihrem gewohnten Rahmen herausfallen. Das ist viel schlimmer! So ein innerer Zustand der Freiheit ist viel schwieriger zu ertragen als die Gefangenschaft.
Wenn ein solcher Mensch dann keine Füllung aus einer anderen Quelle empfängt, keine gewöhnlichen Grenzen, keinen Rahmen, keine bestimmten Verpflichtungen und Abhängigkeiten mehr verspürt, werden wir große Probleme haben.
Wir müssen verstehen, dass ein Mensch bald nur zwei bis drei Stunden seiner Zeit am Tag für alles Notwendige verbrauchen wird: Arbeit, Selbstversorgung und Kontakte. Die restliche Zeit, mindestens 20 Stunden, wird er sich selbst überlassen bleiben.
Um dieses System im Gleichgewicht zu halten, müssen wir alle: Soziologen, Politologen, Psychologen die Rahmenbedingungen neu erfinden, die die Menschheit braucht, um sich wieder engagiert und glücklich zu fühlen, um ihr volles inneres Spektrum an Gefühlen zu empfinden, was uns ein großartiges Lebensgefühl und sogar etwas darüber hinaus geben wird.
Es ist gar nicht so einfach, zurechtzukommen, wenn ein gewisser Rahmen und Verpflichtungen fehlen, kein Druck empfunden wird, wenn man nicht schwer arbeiten muss, um mehr zu verdienen und den Erfolg gerne den Nachbarn zu demonstrieren.
Wir werden eine völlig andere Einstellung zu uns selbst erhalten, zur Gesellschaft, zum Leben, das dann ein anderes Bewusstsein hervorruft. Es ist ein ganz kompliziertes System. Wir müssen vom gewünschten Endergebnis ausgehen, vor allem von den Rahmenbedingungen der Natur.
Die Natur wird uns zwingen, auf jegliche überflüssige Produktion zu verzichten. Die Mittelschicht wird dann praktisch ausradiert. Es bleiben nur die obere Schicht, die die Entscheidungen trifft, nicht so viele Beamten und ganz viele Arbeitslose. Nur 10% Erdbevölkerung werden arbeiten, um den Rest der Bevölkerung zu versorgen. Nur diese 10% werden gebraucht, und alle andere werden nicht mehr benötigt.
In der Wirklichkeit ist Menschheit dafür geschaffen, dass diese 90% etwas ganz anderes tun sollen: sich selbst vervollkommnen und eine richtige Verbindung zwischen allen erschaffen. Sie werden jene integrale, globale, harmonische und in sich geschlossene Umgebung schaffen, die die ganze Gesellschaft ins Gleichgewicht mit der Natur bringen wird. Erst dann wird unsere Existenz berechtigt sein.
Angenommen, es bleiben nur diese 10% der Bevölkerung übrig, die etwas produzieren. In diesem Fall wird das Ziel der Schöpfung nicht erreichbar. Das Ziel der Schöpfung besteht darin, dass alle Bestandteile der Natur: unbelebte, pflanzliche, tierische und menschliche, eine absolute Harmonie miteinander erreichen. Nur dann wird unser System vollständig ins Gleichgewicht kommen.
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