Der Gedanke und das Gefühl
Frage: Wie ist im Geschöpf der Gedanke mit dem Gefühl verbunden?
Meine Antwort: Malchut, die ihre Bitte, den schwarzen Punkt des Mangels erhebt, ist eine Empfindung. Aber diese Empfindung kann keine Eigenschaft, keinen Umfang und keine Form annehmen, ohne sich mit der Weisheit (Chochma) und dem Verständnis (Bina) zu verbinden. Diese zwei Kräfte sollen dem rohen, ungeformten Verlangen die richtige Form verleihen, die der Mensch (Adam) heißt und dem Schöpfer ähnlich ist (dome).
Nachdem die Bitte in Chochma und Bina hinaufsteigt, beginnen zwei entgegengesetzte Kräfte an ihr zu arbeiten. Eine Kraft allein kann nichts formen, es sind immer zwei Kräfte notwendig, die von den einander entgegengesetzten Seiten aus wirken: die Kraft des Empfangens und die Kraft des Gebens, die aus diesem Rohstoff, aus dem Verlangen des Unteren, die Form Keter bilden.
Denn beide, Chochma und Bina, stammen aus Keter , weshalb Malchut zu ihnen hinaufsteigt und bittet: „Bildet aus mir die Form, die Ähnlichkeit mit Keter. Ihr stammt aus Keter und kennt es, also bitte, macht mich ihm gleich“, darin besteht unsere Realisation.
Malchut weiß nicht was Keter darstellt. Es befindet sich oben. Es ist der Endpunkt des Buchstabens „Jud“, den wir nicht begreifen. Aber wir erkennen Ihn nach Seinen Handlungen, das heißt danach, was in uns aufgebaut wird. Wir werden den Schöpfer verstehen können, weshalb das “der Gedanke” heißt.
Und dafür ist kein großer Verstand notwendig, im Gegenteil, je weniger du nachdenkst, desto näher wirst du zur inneren Realität kommen, was eigentlich viel besser ist. Die spirituelle Weisheit hängt nicht von der irdischen Vernunft ab. Kein Kabbalist ist klüger als ein gewöhnlicher Mensch oder wurde als Einstein geboren, sondern er verfügt über mittelmäßige Fähigkeiten im Rahmen dieser Welt.
Das Bedürfnis nach Spiritualität ist nicht die Folge eines besonderen Verständnisses oder einer außergewöhnlichen Sensibilität. Es ist keinesfalls mit irdischen Fähigkeiten verbunden. Deshalb gibt es keinen Grund besorgt zu sein – wenn du ein Verlangen hast, das dich zum Lernen zwingt, dann genügt sogar das. Das ist ein Zeichen dafür, dass du deinen Wunsch entwickeln kannst, allerdings nicht auf der Grundlage von Wissen oder irgendwelcher Weisheiten.
Die Weisheit kommt später, als Folge des spirituellen Begreifens. Zuerst wirst du die Empfindungen offenbaren, und später wirst du klüger werden. Es arbeitet anders als in dieser Welt, wo du alle Berechnungen mit klarem Verstand besser und klüger machen kannst und deshalb ähnlich einem PC funktionierst.
In der Spiritualität ist alles anders, weil das spirituelle Gefäß auf der Empfindung, auf dem Verlangen zu genießen aufgebaut ist. Alle Berechnungen werden innerhalb dieses Verlangens erzeugt. Wenn du dieses Verlangen nicht aufteilst, wenn du nicht beginnst, mit ihm “zu spielen”, dann wirst du kein Material für die Arbeit haben. Womit wirst du dann die Empfindung, das Verständnis, das Begreifen erreichen?
Der Gedanke ist die Kraft Bina, und Bina basiert auf einem starken Gefühl, da sie das Stadium Chochma beinhaltet, das Keter gleich werden möchte. Es erinnert an das Beispiel mit dem Gast, der dem Gastgeber gleich sein möchte, und anders nicht existieren kann.
Das Problem besteht nicht darin, eigenständig zu existieren, sondern darin, dass es unmöglich ist, im Angesicht des Gastgebers zu existieren, ohne ihm in einer guten Verbindung, die Er auch zu dir hat, ein wenig zu geben. Du kannst ihn nicht wie im Restaurant bezahlen, indem du seine Bewirtung mit Geld kompensierst: den Wert der Lebensmittel, des Stroms, der Arbeit, und noch 20 % mehr. Er erwartet von dir ein Gefühl, das im Gedanken, in Bina offenbart wird. Alles wird durch die Instrumente der Empfindung realisiert.
Deshalb stammt unser ganzer Aufstieg aus der Enttäuschung, der Anstrengung, der materiellen Empfindung des Mangels, die wir in einen spirituellen Mangel umformen.
Auszug aus dem Unterricht nach dem Buch Sohar. Das Vorwort, 14.05.2013