Genuss durch das Spiel mit dem Tod
Frage: Warum ziehen wir vor, den Leidensweg zu gehen, und verlassen ihn nicht mehr, als ob wir diesen Weg sogar genießen würden?
Meine Antwort: Wir mögen es einfach, zu leiden. Die ganze Welt erfährt Genuss durch das Leid, obwohl es eine sehr einfache Möglichkeit gibt, aus ihm herauszukommen, und so einen wunderbaren Zustand zu erreichen, welchen wir uns noch nicht einmal vorstellen können. Aber die Menschen ziehen es vor, zu leiden.
Alles wegen unserem egoistischen Verlangen, das sich zu quälen vermag. Alle unsere Genüsse resultieren aus der Überwindung des Leides, das ist eben der wahre Masochismus. Alle unsere Genüsse, vom kleinsten bis zum größten, und von jeder Art, sind nur durch das Leid möglich. Wir genießen die Tatsache, dass es uns gelungen ist, Leid zu vermeiden, uns darüber zu erheben, d.h. trotz allem liegt im Ursprung das Leid. Das ist unsere Natur – aus dem Egoismus zu empfangen.
Denn um zu genießen, sollte zunächst das Verlangen vorhanden sein, und erst dann der Inhalt. Der Wunsch ist in unserem Fall der Mangel an Inhalt, der Tod. Und der Zustand oberhalb vom Tod wird schon als Genuss bezeichnet, obwohl er immer noch mit dem Tod in Verbindung gebracht werden muss.
Die Empfindung des Genusses ist allerdings mehr als ein toter Zustand. Der spirituelle Genuss ist anders, er kommt durch die Eigenschaft des Gebens zustande. Und sogar der niedrigste Anfangszustand schenkt Lebenskraft und bedeutet Lebensqualität, weil ich nicht das Gefühl habe, das mir irgendetwas fehlt. Ich möchte nichts für mich selbst, ich bin im Zustand der Bina, „Chafez Chesed“, wie ein Einsiedler, der im Wald lebt und nicht einmal ein Hemd braucht.
Und oberhalb von diesem Zustand spüre ich noch mehr Leben: mehr von der Eigenschaft des Gebens, mehr Freiheit. Und in unserem egoistischen Verlangen fühlen wir nur Tod und Leid und können dieser Empfindung nicht entkommen. Ohne sie kann unser Egoismus keinen Genuss spüren. Wir müssen der Speise ständig „Salz und Pfeffer“ für die Schärfe hinzufügen.
Auszug aus dem Unterricht nach einem Brief von Baal HaSulam, 27.06.2012